GASTBEITRAG von Felix Schirl, Geschäftsführer und CTO trbo GmbH
Felix Schirl, Geschäftsführer und CTO der trbo GmbH beschreibt den Weg eines Webshops zur professionellen Personalisierung in Analogie eines ersten Kennenlernens bei einem Date bis zu einem Wiedersehen des vertrauten Paares. Dabei geht er auf die Herausforderungen des Aufbaus der Beziehung eines Webshops und seinen Usern ein.
Der erste Besuch eines Users auf einer Website kann wie ein erstes Date beschrieben werden. Man kennt sich nicht wirklich, spricht über das Wetter und andere oberflächliche Themen. Auch der Webshop weiß über seinen User noch nicht viel. Bekannt sind der Klick-In Kanal, der Standort und das Wetter – aber welche Vorlieben hat der User? Was genau ist der Grund seines Besuchs?
Die ersten Schritte zur persönlichen Ansprache können daher auch nur oberflächlicher Natur sein. Anstatt von Personalisierung zu sprechen, die eine tiefe Kenntnis des Users voraussetzt, sollte man im ersten Schritt daher von Individualisierung sprechen. Das Date findet in der Nähe des Wohnorts des/r Auserwählten statt, um die Anfahrt so einfach wie möglich zu gestalten. Eine Ansprache des Users auf Basis seines Standorts, der Uhrzeit und des dort vorherrschenden Wetters ist ein erster Einstieg, um das Eis zu brechen: „Guten Morgen, bei strahlendem Sonnenschein in München!“. Mit einem Hinweis auf den verfügbaren Chat zur Hilfe oder auch auf die aktuellen Sonderangebote im Shop, fühlt sich der User ebenso freundlich empfangen, wie das aufgeregte Paar im Restaurant beim ersten Date, wenn der Kellner auf die Tageskarte verweist.
Nach ersten Worten des Kennenlernens werden die ersten Vorlieben des Gegenübers bekannt – lieber Rot- statt Weißwein. Eben solche Informationen kann sich ein Webshop schon nach wenigen Klicks zu Nutze machen. Der User bewegt sich gezielt in der Kategorie für Damen, sucht nach Hosen, gibt vielleicht sogar direkt einen Filter ein, welche Größe er benötigt. Und schon kann der Shop Alternativen anbieten – verfügbare Hosen derselben Größe. Ebenso wie der Kellner gute Rotweinempfehlungen geben kann.
Ist der Wein gewählt, geht es zur Auswahl des Essens. Zum guten kräftigen Rotwein ist doch das Fleischgericht die richtige Wahl. Ebenso kann der Webshop zur gewählten Hose passende Oberteile, einen Gürtel oder aber auch Schuhe empfehlen. Man könnte sagen, das ist ein No-Brainer. Aber ebenso, wie viele Menschen nicht jedes Fleischgericht mögen, gilt es auch im Webshop auf die Vielzahl der besonderen Interessen des Users einzugehen. Und an dieser Stelle wird aus einer Individualisierung eine Personalisierung. Denn je nach Surfverhalten des Users, wird aus standardisierten Empfehlungen auf Basis eines mathematisch hoch komplexen Algorithmus eine sehr personalisierte Empfehlungsengine. Hier spielen die Erfolgsfaktoren anderer bereits bekannter User des Webshops eine große Rolle. Zur gewählten Hose wird nicht irgendein Oberteil empfohlen, sondern das, das von anderen Usern in Kombination mit besagter Hose bereits häufig angeschaut wurde oder in Kombination öfter gekauft wurde.
Die Essenbestellung ist aufgegeben, nun gilt es, das Date spannend zu halten. Produkte im Warenkorb zeigen, dass der User ein hohes Interesse hat, gewonnen ist aber noch nichts. Stöbert er lange im Shop, ohne weitere Produkte in den Warenkorb zu legen oder zum Kaufabschluss zu kommen, könnte das ein Zeichen schwindenden Interesses sein. Dieser User muss nun gezielt vom Kauf überzeugt werden. Warum ihm nicht als Erstkäufer einen Sonderrabatt in Aussicht stellen? Vor allem Akquise-intensive Neukunden sollten mit einfachen Mitteln überzeugt werden und so von den Vorzügen profitieren. Beim ersten Date zeigt man sich ja auch immer von seiner Schokoladenseite.
Das Date läuft hervorragend, die Gespräche sind gut, das Essen schmeckt. Noch ein Nachtisch gefällig? Der User ist überzeugt und kauft. Der Webshop hat sein primäres Ziel erreicht. Ein unbekannter User wurde zu einem Käufer gewandelt, die erste zarte Bindung ist gemacht. Aber gibt es auch ein Wiedersehen? Die Zeit bis zum Eintreffen der gekauften Ware kann dauern, warum den User zwischenzeitlich nicht über spannende Aktionen auf dem laufenden halten? Eine Newsletterregistrierung nach dem Kauf, mit der Aussicht beim nächsten Kauf einen Gutschein einlösen zu können, ist wie die Verabschiedung beim ersten Date mit der Einladung zum nächsten Essen. Um die Zeit bis dahin zu verkürzen, werden liebevolle Nachrichten – oder auch personalisierte Angebote – ausgetauscht, die die Freude auf das nächste Treffen verstärken.
Und dann ist es soweit. Das erste Date war ein Volltreffer, zwischenzeitlich wurden Nachrichten geschrieben und nun steht ein Wiedersehen an. Blumen in der einen Hand, die Sektflasche in der anderen – ein spontanes Picknick als Überraschung. Alles nur, weil das beim letzten Date ein Thema war! Da ist die Freude groß. Und im Webshop? Wie sieht da die Begrüßung aus? Der User wird mit Namen angesprochen: „Anna, schön dass Du wieder da bist! Wir hoffen, Dein letzter Einkauf hat Dir Freude bereitet!“ Königsklasse ist hier, wenn die CRM-Anknüpfung eine personalisierte Ansprache soweit zulässt, dass nur die User so angesprochen werden, die die letzte Sendung nicht direkt wieder retourniert haben. User die ihre Ware zurückgeschickt haben, könnten mit einer Umfrage begrüßt werden, die Auskunft darüber geben soll, was es im Shop für Verbesserungspotential gibt bzw. was sie zu einem Wiederkauf bewegen könnte. Aufmerksames Interesse sowie das Nutzen vergangener Daten vermitteln dem User, dass er etwas Besonderes ist und ernstgenommen wird. Gleiches gilt auch für eine Beziehung.
Und was ist die Voraussetzung für eine funktionierende Beziehung nach den ersten aufregenden Dates? Harte Arbeit. Jeden Tag aufs Neue den Partner begeistern, keine Langeweile aufkommen lassen und auch mit den Veränderungen im Leben des Partners umgehen. So muss auch der Webshop die Beziehung zu seinen Kunden pflegen, immer wieder spannende Produkte verfügbar machen, aber auch die individuellen Interessen der User berücksichtigen. Zu unterscheiden ist hier zwischen langfristigen, kurzfristigen und temporären Interessen. Sucht die Dame beispielsweise zwischenzeitlich nach Männerhemden, heißt das nicht, dass sie diese nun selbst trägt und ihr Interesse sich geändert hat. Eventuell ist sie in einer neuen Partnerschaft und möchte ihrem Liebsten ein schönes Hemd schenken. Oder die Suche schwenkt plötzlich um und es wird nach Umstandsmode und Babybekleidung gesucht, auch dann handelt es sich wahrscheinlich dabei um ein temporäres Interesse, das irgendwann wieder umschwenkt. Angebote zu besonders hübschen Blusen oder der Lieblings-Jeansmarke der vergangenen Einkäufe führen auch zukünftig zu einer glücklichen Kundin.
Fazit: Wie in einer Beziehung zählt auch beim ersten Besuch der erste Eindruck. Aufgabe ist es aber, wie im echten Leben ein echtes Interesse am Gegenüber zu haben, um so eine Chance auf eine lange und glückliche Beziehung zu haben. Meist sind es die kleinen Dinge im Leben, die glücklich machen. Die richtige Aufmerksamkeit zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Und da jeder Mensch, jeder Onlineshopper aber auch jeder Webshop einzigartig ist, gibt es keine pauschale Antwort auf die Frage: Wie geht Personalisierung richtig? Für jeden Webshop gibt es eine eigene richtige Herangehensweise, die genau wie eine Beziehung unterschiedlicher nicht sein kann. Daher gilt es, möglichst flexibel auf die aktuelle Situation reagieren zu können.