Omnichannel oder Multichannel

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Omnichannel oder Multichannel? – Wie Retailer das richtige Konzept finden.

  
 

Die Wahl der Kanäle entscheidet über den Erfolg

In vor-digitalen Zeiten waren Händler dann erfolgreich, wenn sie Experten für genau zwei Themen waren: für ihre Produkte und für ihre Kunden.

Im Zeitalter der Digitalisierung hat sich unser Kommunikationsverhalten stark verändert: Der Kontakt zu potenziellen KundInnen ist im E-Commerce nicht mehr direkt und unmittelbar gegeben, sondern erfolgt immer nur indirekt und mittelbar über einen Kommunikations- und Absatzkanal. Heute sind Händler nur dann erfolgreich, wenn sie diese Kanäle verstehen und beherrschen.

Zwar gab es auch schon früher einige wenige Kanäle, sie fielen jedoch nicht so ins Gewicht, denn die Standards waren überschaubar und immer gleich: im stationären Handel gab es das Erlebnis und Gespräch auf der Fläche. Der Katalogversandhandel nutzte Kataloge und Mailings.

Mit dem digitalen Handel kam nun nicht nur ein weiteres Element, sondern gleich eine ganze Vielfalt weiterer Kanäle hinzu. E-Commerce findet nicht nur im Onlineshop über den Desktop statt, sondern auch mobil (in Web und App), in sozialen Netzwerken und auf Plattformen von Drittanbietern. Kunden wechseln beliebig oft zwischen all diesen digitalen und analogen Kanälen und bedienen sie sogar parallel.

Damit Händler ihre Kunden wirklich erreichen und dabei ihre volle Kompetenz ausspielen können, müssen sie die Zielgruppe über eine Vielzahl an Kanälen ansprechen. Das ist eine komplexe Aufgabe, die strategisch entwickelt werden muss.

Die zentrale Frage ist daher nicht mehr, ob mehrere Verkaufskanäle nötig sind. Sie sind nötig. Es stellt sich die Frage nach dem Wie: Wie soll die Mehrkanal-Strategie aufgebaut sein?

Wie unterscheiden sich Omni- oder Multichannel-Konzepte im E-Commerce?

Für das Phänomen, vielfältige Kanäle orchestrieren zu müssen, finden sich verschiedene Namen. Am verbreitesten sind die Begriffe „Multichannel“ und „Omnichannel“, die oft fälschlich austauschbar verwendet werden. Denn tatsächlich bezeichnen sie unterschiedliche Strukturen.

Beide Begriffe beschreiben ein Geschäftsmodell, in denen die unterschiedlichen Kanäle – etwa das stationäre Ladengeschäft und der Onlineshop – gleichberechtigt behandelt werden. Aber in dem einen Fall sind die Verflechtungen dieser Kanäle wenig bis gar nicht ausgeprägt (Multichannel). Im anderen Fall sind die Kanäle sehr stark verflochten (Omnichannel). (Für eine Begriffsdefinition siehe https://norisk.group/news/die-omnichannel-strategie/)

Wie unterschiedlich sich ein Unternehmen präsentiert, je nachdem ob es sich für einen Multichannel-Ansatz oder für Omnichannel entschieden hat, wird anhand der folgenden Beispiele deutlich.

 

Multichannel oder Omnichannel im Retail? Vergleichsbeispiel Service-Offering.

Die Unterschiede setzen sich beim Kaufabschluss und im Aftersales fort.
Während die Haptik und Passform der Produkte sowie die Inspiration durch Deko und Beratung vor Ort klare Vorteile des stationären Kaufs sind, gehören Schlangestehen an der Kasse und anschließendes Tütentragen eher zu den Nachteilen, die man gern an den Onlineversand oder Home Delivery abgibt.

Diesem sehr naheliegenden Wunsch kann nicht entsprochen werden, wenn die Strukturen nicht darauf vorbereitet sind. Oft zeigen sich die Grenzen sogar schon bei noch viel einfacheren Anfragen. Bei vielen Händlern können nach wie vor Gutscheine entweder für den Onlineshop oder den Store ausgestellt werden können, aber nicht für beides. Und selbst bei vielen digitalen Lösungen merkt man dem Service an, dass die historische Loyalty Card nicht neu konzipiert, sondern einfach „digital übersetzt“ wurde. Es ist eine vertane Chance, wenn die Möglichkeiten in Visualisierung, Echtzeit-Feedback und Vernetzung, die das Digitale bietet, nicht zur Kundenbindung genutzt werden.

In Multichannel-Szenarien haben die Kundinnen letztlich immer nur die zwei Optionen: Entweder sie kaufen online und lassen sich die Ware nach Hause liefern und retournieren sie auch online. Oder sie kaufen am Point-of-Sale, nehmen die Ware gleich mit und tauschen sie aber auch nur hier um. Im Multichannel muss man sich für einen Kanal entscheiden und bleibt dem auch verhaftet.

Nicht so bei Omnichannel. Hier geht es nicht darum, nach dem Prinzip „Entweder – Oder“ den Kunden auf einen bestimmten Kanal festzulegen, sondern ihm im Gegenteil mit einem Angebot von „Sowohl – Als auch“ jederzeit den größtmöglichen Zugang zu allen Kanälen zu anzubieten.

Produkte können online bestellt und stationär abgeholt werden. Berater im Store sehen über das Kundenkonto, welche Bestellungen vorher über alle Kanäle getätigt wurden, und gehen darauf ein. Retouren werden überall akzeptiert, Rabatte und Boni sind nicht kanalgebunden und werden zentral getrackt, zum Beispiel über eine App, die die Kundin auch dann benötigt, wenn sie Altwaren stationär zum Recycling abgibt, oder online die Retoure anmeldet.

Diese zentrale, allumfassend („omni“) vernetzte Herangehensweise liefert, was die Customer Loyalty heute wirklich braucht: viel mehr als einen digital einsehbaren Punktestand und Multichannel-Voucher, nämlich ein individuelles Profil, das Boni, Content und Produkt-Bundles anhand von getätigten Käufen oder erkennbaren Interessen vorschlägt.

 

Macht Multichannel überhaupt noch Sinn?

Auch wenn Omnichannel der jüngere, fortentwickelte Ansatz ist, der auf die Kundenerwartungen in einem immer stärker digitalisierten Umfeld reagiert, bestehen beide Konzepte, – Multichannel und Omnichannel – heute noch immer nebeneinander.

In einer Zeit hoher Digitalisierung, in der über 40% der Deutschen wöchentlich online einkaufen (Quelle: Studie We are social 2022, Germany, Februar 2022), ist eine der wichtigsten Aufgaben für Händler, dieses Einkaufserlebnis zu intensivieren und engmaschiger zu steuern.

Der Multichannel-Ansatz ist in einer Zeit geboren, in der traditionsreiche Filialisten sich erst noch an den Gedanken gewöhnen mussten, dass online nicht mehr Nice-to-have ist, sondern als Absatzweg mindestens ebenso ernst genommen werden muss wie der Point-of-Sale.  Die Frage wie genau dies umgesetzt werden würde, trat bei dieser Grundsatzdiskussion noch in den Hintergrund.

Dementsprechend sind bei Unternehmen, die schon länger im E-Commerce tätig sind, die Kanäle oft historisch gewachsen und bleiben – klassischer Multichannel – früher mehr oder weniger gleichwertig, aber streng voneinander getrennt. Eine schritt- oder teilweise Integration einer solchen Struktur bleibt fast immer hinter den Möglichkeiten eines neu aufgesetzten Omnichannel-Konzepts zurück.

Manchmal entscheidet sich das Unternehmen aber auch bewusst gegen eine maximale Vernetzung, zum Beispiel dann, wenn aus Lager- und Kostengründen gewisse Produkte einem Kanal vorbehalten bleiben, um den Abverkauf und damit verbundene Kosten so gezielter zu steuern.

 

„Connected Commerce“ als Zwischenweg

Natürlich wissen auch Händler mit Multichannel-Konzept, dass die Kundschaft heute gewohnheitsmäßig von einem Kanal zum nächsten springt. Und auch sie versuchen  das einzuplanen, oder sogar auch ganz gezielt zu unterstützen.

Sie reagieren darauf aber nicht immer mit einer großen Umstellung auf eine Omnichannel-Strategie, sondern mit kanalvernetzenden Elementen, sogenannte „Cross Channel Kampagnen“, die die siloartigen Multichannel-Strukturen gezielt aufbrechen. Die Filial-Kunden erhalten beispielsweise stationär Kaufanreize und Rabatte für lagerintensive online-only Produkte. Oder andersherum werden Onlinekäufe stationär abgerundet: Die zugesandte Brille wird in der nächstgelegenen Filiale angepasst und ein Lifetime-Nachfüllservice für das gebrandete Brillenputzspray zugesichert.

Für diese Maßnahmen wird oft mit dem Begriff „Connected Commerce“ unterstrichen, dass man in der Ausführung auf die Verbindung der Kanäle achtet. Das kann nachträglich oder vorübergehend erfolgen und auch auf einzelne Kampagnen beschränkt sein. Anders als bei einem Omnichannel-Konzept wird das schrankenlose Vernetzen aber nicht zum prinzipiellen Wert und übergeordnetem Ziel erhoben.

„Viele Multichannel-Händler lassen sich gerade spannende Konzepte einfallen, die ihr Produktsegment sowohl online als auch offline attraktiv präsentieren und bei allem Fokus auf den schnellen Kauf im Onlineshop den Kunden im stationären Handel ebenso gekonnt abholen,“ bestätigt Dominik Haupt (CEO und Founder, norisk GmbH).

Es wäre also ein vorschneller Schluss, Multichannel-Unternehmen als „nicht auf der Höhe der Zeit“ abzutun. Denn der eigentliche Erfolgsfaktor liegt woanders.

 

Der Kunde als Maß aller Dinge: Erfolgsfaktor Customer Experience

Zur Verdeutlichung der Unterschiede zwischen Multi- und Omnichannel haben wir in den oben genannten Shopping-Beispielen jeweils die Perspektive der Kunden eingenommen. Diese Vorgehensweise hat System: Denn nur mit einem Fokus auf das, was bei den Kunden tatsächlich ankommt, wird aus Business-Theorie ein erfolgreich wachsendes Geschäft.

Die volle Konzentration auf die KundInnen als oberstes Gebot, genannt „Customer Centricity“, ist dabei kein optionales Add-on oder Arbeitsinstrument im Marketingprozess, sondern eine regelrechte Business-Lehre. Der gesamte Wertschöpfungsprozess des Unternehmens wird nicht produktfokussiert, sondern kundenfokussiert gedacht:

Nicht, weil das Produkt da ist und es wertvoll ist, kauft (irgendeine) Kundin. Sondern eine konkrete Kundengruppe hat einen bestimmten Bedarf und dieser wird mit darauf angepassten Strukturen, Produkten und Services gedeckt. Nach diesem Verständnis ist es der Kunde (nicht das Produkt), der die Wertschöpfung auslöst.

Mit dem aktuell hohen und weiterhin steigenden Digitalisierungsgrad im Handel erwarten Kunden heute selbstverständlich eine Vernetzung von Verkaufskanälen. Demnach kann mit Omnichannel-Konzepten theoretisch eine bessere Customer Experience erreicht werden.

Allerdings ist in der Praxis nicht der Name des Konzepts ausschlaggebend, sondern das tatsächliche Urteil der Kunden.

Deshalb muss „jeder Onlineshop zunächst einmal die Bedürfnisse des Endkunden vollständig befriedigen […]“, unterstreicht Dominik Haupt. Gelingt dies in einem Multichannel-Setting, das dem Kunden „zwei Schritte“ entgegenkommt und in dem sich das Unternehmen über alle Kanäle als ein Gegenüber präsentiert, sind alle Ziele erreicht.


Omnichannel ist kein Selbstzweck. Einzig das Einkaufserlebnis des zufriedenen Kunden entscheidet über den Erfolg.

 

Die beste Mehrkanalstrategie? Die mit dem Top-Service!

Die Digitalisierung des Handels schreitet weiter voran und sorgt dafür, dass immer mehr Channels etabliert und gesteuert werden müssen, um Kunden gut zu erreichen. Nur bei absoluter Klarheit über die Bedürfnisse der Zielgruppe lassen sich erfolgreiche Lösungen konzipieren.

Dies ist kein einmaliger Auftrag, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der Flexibilität verlangt. Märkte wandeln sich, digitale Endgeräte entwickeln sich weiter und öffnen neue Channels und auch die Kundenbedürfnisse werden sich dem anpassen.

Nach heutigem Wissensstand kommt eine Omnichannel-Strategie der Erwartungshaltung des Kunden entgegen und ist grundsätzlich zu bevorzugen.

Da aber unterm Strich die Customer Experience der wichtigste Erfolgsfaktor bleibt, kann auch eine Multichannel-Struktur mit gezielt verknüpften Kampagnen zum Erfolg führen.

Mit ehrlichen und kompetenten Antworten auf die richtigen Fragen finden sich Lösungen für das konkrete Geschäft, die die Kunden wirklich überzeugen.

Denn am Ende ist das Business nur aus einem einzigen Grund erfolgreich: Wenn die Kunden sich in ihren Bedürfnissen wahrgenommen und in ihren Wünschen respektiert fühlen.

 

Fazit: Mit Customer Centricity zur individuellen Strategie finden

Bei der Konzeption sollten E-Commerce-Verantwortliche daher nicht wahllos vermeintliche Omnichannel Best Practices in ihre Anforderungsliste übernehmen.

Vielfach scheitern stolze Omnichannel-Pläne an der logistischen Machbarkeit. Wenn beispielsweise der online dargestellte Lagerbestand und die Click-and-Collect-Prozesse in der Filiale nicht funktionieren. Erhalten Kunden beim Pick-up nicht die bestellte Ware, ist die Enttäuschung groß.

Genauso wenig souverän wirkt es, wenn der interne Warentransfer von einer Filiale zur anderen als externer Versand abgefertigt wird. Muss die Kundin nach einigen Tagen Wartezeit am Tresen ein Postpaket in Empfang nehmen, wäre ihr mit einem Versand nach Hause besser gedient gewesen.

Diese Art von Alibi-Services, die gut gemeint, aber schlecht umgesetzt sind, zeigen, dass diese Entscheidungen nicht am Reißbrett gefällt werden können. Relevant ist, was das Unternehmen tatsächlich in der Lage ist zu liefern.

Denn ist der versprochene Service nicht auf einem sehr guten Niveau, schadet die erst aufgebaute und dann enttäuschte Erwartung die Kundenbindung nachhaltiger als wenn sie gar nicht erst angeboten wurde. Unterm Strich ist eine klare Kommunikation der verfügbaren Services fairer und der Kundschaft gegenüber wertschätzender. Und Wertschätzung ist das Grundprinzip der Customer Centricity.

Übrigens kommt auch erst an dieser Stelle die Rolle der eingesetzten Technologie zum Tragen: Sie muss das geplante Konzept sauber umsetzen können.

Du interessierst dich auch für die besten E-Commerce Konzepte für Händler? Vielleicht sollten wir uns kennenlernen: https://norisk.group/karriere/

Autorin für die norisk Group Redaktion:
Caroline Helbing publiziert und berät als E-Commerce Analyst und Kommunikationsstrategin. Sie ist mit den Schwerpunkten Produktmanagement und Content Marketing seit 2005 im E-Commerce tätig.